Tollwood Festival - Marrakesch am Mittleren Ring
Es ist durchaus ein Lob, wen man sagt: Es war 2011 wie immer. Regengüsse wie unterm Wasserfall, heiße Tage voller Staub, großartige Konzerte wie das von B.B. King, und diskussionswürdige Performances. In den Standlgassen gab's Esoterik, Lebenshilfe, hadgemachten Kitsch und faire Ware zum manchmal unfairen Preis. Seit 23 Jahren gibt es Tollwood in München. Früher war die Haltung der meisten Münchner dazu mit dem Seufzer "Ach, ist wieder Batikhosen-Flohmarkt" hinreichend beschrieben. Aber Öko ist schick geworden, die Bewahrer der Schöpfung sitzen nicht mehr in Bauernhof-Kommunen und sortieren schrumpelige Äpfel; heute arbeiten sie in der eigenen Zahnarztpraxis in Schwabing und vermessen nach Feierabend ihren Ökologischen Fußabdruck.
Im Marrakesch-Zelt steht ein Mittdreißiger-Paar vor einem Shisha-Stand. Sie sagt zu ihm: "Wie heißen gleich wieder diese Wasserpfeifen?" Er sagt zu ihr: "Bakschisch, glaub ich." Im Konzert-Publikum der Außenbühne des Andechser Zelts frägt ein älterer Mann nach einer Zigarette. Denn drüben, im Marakesch-Zelt, da haben sie ihm eine Schachtel mit arabischer Schrift drauf angedreht, die zwar aussieht, als seien Zigaretten drin. In Wirklichkeit aber, er zeigt es voller Verzweiflung, beinhaltet die Schachtel Shisha-Tabak. Hoffentlich hat er nicht zu viel Bakschisch gegeben.
Süddeutsche Zeitung